Die Möglichkeiten und Potenziale von Künstlicher Intelligenz (KI), insbesondere großer Sprachmodelle, werden derzeit intensiv und vielseitig im Bildungswesen diskutiert; auch in der Hochschullandschaft und unserer dghd-Community. Anfang 2023 startete hierzu beispielsweise unsere Online-Vortragsreihe „KI in der Hochschullehre“ (Aufzeichnungen auf YouTube verfügbar), in 2024 erschien die „Didaktische Handreichung zur praktischen Nutzung von Kl in der Lehre“, die gemeinsam mit der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW) entstanden ist und kürzlich haben zwei Mitglieder des dghd-Vorstands — David Lohner und Angelika Thielsch — an der Online-Veranstaltung „KI im Fächerspektrum: Kompetenzen, Methoden, Transferpotentiale“ teilgenommen, die am 31. Januar 2025 organisiert vom Hochschulnetzwerk Digitalisierung der Lehre in Baden-Württemberg (HND-BW) stattfand. Von dieser Veranstaltung möchten wir in diesem Blickwinkel-Beitrag berichten und dabei aufzeigen, wie facettenreich die Debatten rund um KI in der Hochschullehre aktuell geführt werden.
Rahmen der Veranstaltung
Die Veranstaltung, organisiert von einer Kooperation mehrerer Landeseinrichtungen für digitale Hochschullehre, zog rund 400 Teilnehmende aus Hochschulen in ganz Deutschland an. Im Fokus standen fachspezifische Anwendungsbeispiele, die unterschiedlichste Arten des Umgangs mit KI in der Lehre vorstellten. Diskutiert wurde beispielsweise, wodurch KI als Gegenstand des Lehrens und Lernens in die Lehre integriert werden kann oder auch, wie KI-Anwendungen zur Unterstützung von Lehrprozessen in verschiedenen Studienbereichen genutzt werden.
Drei Kurzvorträge gaben zunächst praxisorientierte Einblicke in die Anwendung von KI in den Sozial-, Ingenieur- und Geisteswissenschaften. Abschließend fand eine Podiumsdiskussion statt, in der Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Studienbereiche hinsichtlich Kompetenzentwicklungszielen und methodischen Einsatzszenarien von KI beleuchtet wurden. Neben fachspezifischen Perspektiven wurde hier auch die übergeordnete Perspektive der Hochschuldidaktik beleuchtet.
Die Praxisbeispiele
Ein beeindruckender Beitrag stammte von Prof. Dr. Anna-Sophia Schwind und Markus Rossa, die aufzeigten, wie KI und Virtual Reality (VR) in der Psychologie genutzt werden können. Durch die Integration von KI in VR-Umgebungen lassen sich realitätsnahe Simulationen erstellen, die eine effizientere und schnellere Erschaffung von Lernumgebungen ermöglichen. Studierende können so beispielsweise Gesprächsführung in einer immersiven Umgebung praxisnah trainieren.
Johannes Schleiß von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg stellte ein Konzept zur Unterscheidung von KI-bezogenen Kursen in den Ingenieurwissenschaften vor, in dem neben generischen Grundkursen (zum allgemeinen Nutzung und einem kritischen Umgang mit KI) auch fachspezifische Kurse (zum Fokussieren auf die Anwendung von KI in spezifischen Bereichen) und Fortgeschrittene Kurse (zu den theoretischen Grundlagen, Architekturen und Weiterentwicklungen von KI-Systemen) unterschieden werden. Er betonte die Bedeutung eines umfassenden Verständnisses des fachspezifischen Systems, um die Auswirkungen von KI-Technologien hinsichtlich sozialer, rechtlicher, umweltbezogener und ethischer Aspekte bewerten zu können.
Dr. Markus Gottschling präsentierte Ansätze zum Einsatz von KI in der Literaturwissenschaft und Rhetorik. Er verwies auf die Plattform rhet.ai, die zeigt, wie KI in geisteswissenschaftlichen Disziplinen Anwendung findet und diskutierte, weshalb es lohnt, sich der textuellen Grundlagen generativer KI bewusst(er) zu sein, um die eigenen Praktiken im Lehren, Lernen und Forschen gezielt(er) durch die Anwendung dieser Technologien zu ergänzen.
Die Diskussion
In der anschließenden Podiumsdiskussion wurden verschiedene Perspektiven auf die Integration von KI in die Hochschullehre erörtert. Ein zentrales Thema war die Befürchtung eines „Deskilling„, also dem Verkümmern von Kompetenzen und Motivation, beispielsweise im Schreiben, durch den vermehrten Einsatz von generativer KI. Hier gilt es unserer Meinung nach, differenzierter zu schauen. Beispielsweise verlangt ein kompetenter Einsatz von KI-Anwendungen von Nutzer:innen, dass diese auch kritisch einschätzen können, ob ein generierter Text inhaltlich und Format korrekt ist. Jedoch ist unbestritten, dass genau dieses Bewusstsein im Rahmen eines Studiums explizit adressiert und gemeinsam mit den Studierenden diskutiert werden muss. Verbunden mit der Diskussion um die Gefahren eines Deskilling wurde zudem diskutiert, inwiefern die erhoffte zeitliche Entlastung durch KI-Systeme dazu führen könnte, die Anforderungen an schnelles Handeln in der Gesellschaft hier weiter zu pushen. Hier kann jedoch auch ein Chance entstehen, mögliche neue Kapazitäten für kreative Problemlösungen oder das gemeinsame Innehalten zu nutzen. Anstatt ständig mehr zu tun, sollten wir überlegen, welche Tätigkeiten uns in unserem täglichen Handeln in Lehre und Studium fehlen und dafür nun die Zeit einzuräumen.
Ein weiterer wichtiger Punkt war die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung von KI. Oft wird KI mit großen Sprachmodellen oder spezifisch mit „ChatGPT“ gleichgesetzt. Doch das Feld der Künstlichen Intelligenz umfasst ein breites Spektrum an Technologien, darunter auch Bilderkennung und Bildgenerierung, Datenanalyse mit „Big Data“ und Learning-Analytics-Ansätze. Gerade in der Hochschule ist es essenziell, diese Vielfalt anzuerkennen und in der Lehre zu berücksichtigen, damit Hohschulabsolvent*innen ihr im Studium erworbenes Wissen über diese Technologien in ihr zukünftiges professionelles Handeln einbringen können.
Schließlich wurden in der Veranstaltung die ethischen, sozialen und rechtlichen Auswirkungen von KI-Technologien und den Marktinteressen der dahinterstehenden Konzerne diskutiert. Hierbei wurde u.a deutlich, wie relevant es ist, hochschulische Prüfungs- und vor Bewertungssysteme kritisch zu hinterfragen und für eine zukunftsfähige Hochschulbildung anzupassen. Wir sind der Ansicht, dass eine fundierte ethische Reflexion unumgänglich ist, um verantwortungsbewusst mit KI umzugehen.
Aufzeichnungen und Material
Die Veranstaltung ist vollständig aufgezeichnet und in eizelnen Segmenten abrufbar. Wer sich die Impulsvorträge ansehen möchte, findet diese im Medienportal des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), an dem die Geschäftsstelle des HND-BW beheimatet ist. Auf der entsprechenden Webseite des HND-BW sind auch die vollständigen Folien der Veranstaltungen dokumentiert.
Die Podiumsdikskussion, zu der der Vorstand der dghd geladen war, haben wir hier eingebettet:
Unser Fazit
Die Diskussionen spiegeln einen Dreiklang zentraler Leitfragen wider, die wir aus hochschuldidaktischer Perspektive betrachten sollten:
- Reflexion des Aspekts der Effizienzsteigerung: Wenn KI die Möglichkeit bietet, bestimmte Prozesse zu optimieren, wofür können wir dann die neu verfügbaren Ressourcen nutzen, um das Lernen und das Lehren zu bereichern?
- Entwicklung kreativer Lösungsmöglichkeiten: Wenn KI-Anwendungen im Hochschulbereich eingesetzt werden, welche innovativen Ansätze und Methoden können entwickelt werden, um existierende Herausforderungen im Kontext der Hochschullehre zu verringern?
- Einfordern ethischer Betrachtung: Wenn wir davon ausgehen, dass KI-Technologien einen immer größeren Anteil unserer Praktiken als Lehrende und Lernende (und darüber hinaus) beeinflussen werden, wie können wir ethische Aspekte der Nutzung dieser Technologien so adressieren, dass diese stets mitbedacht und besprochen werden?
Dieser Dreiklang an Leitfragen stellt die Hochschuldidaktik von Heute vor die Aufgabe, ihr eigenes Handeln kritisch anzupassen und weiterzuentwickeln. Es ist unsere Aufgabe, Vorgehensweisen zu entwickeln, die Lehrende dabei unterstützen, alle drei Leitfragen für sich, mit ihren Peers und gemeinsam mit den Studierenden zu bearbeiten. Übergeordnetes Ziel dabei sollte sein, dass KI-Technologien in der Hochschullehre nicht nur kompetent als Tool oder Werkzeug genutzt werden können, sondern darüber hinaus auf das notwendige Wissen zurück gegriffen werden kann, um KI-Technologien kritisch reflektiert und verantwortungsvoll eingesetzt werden können.
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